Joachim Streich begeistert knapp hundert Fans in Dessau
von Felix Zilke
Joachim Streich sorgte mit seinem bescheidenen tollen Humor für viele Lacher und einen interessanten Abend.
(Foto: Ralph Wieser)
Von wegen Europameisterschaft. Zur besten Sendezeit saßen knapp hundert Fans des runden Leders nicht im Wohnzimmer vor der Glotze – sondern im Radisson Blu Hotel Fürst Leopold in Dessau. Denn hier galt es, einen Fußballer hautnah zu erleben. Nicht irgendeinen – sondern Joachim Streich, der sich einst von Wismar über Rostock bis zum 1.FC Magdeburg aufmachte, um die Fußballwelt zu erobern. Dass dem Mann das gelungen ist – immerhin mit 102 Länderspielen der Rekordspieler im Fußballosten – muss der nicht mehr beweisen.
Streich war ja alles andere als ein Laufwunder, das gibt der Mittelstürmer, dem allein im Auswahldress 55 Länderspieltore gelangen, auch unumwunden zu. „Dann“, seufzt er, „hätte mir doch vorn die Kraft gefehlt“. Mit seinem mecklenburgischen Dickkopf setzte er sich allen Trainern und Funktionären, die ihn ändern wollten, zur Wehr. Mit 16 Jahren schon, als er beim FC Hansa anklopfte – ohne Delegierung seiner heimischen TSG in Wismar. Der Renommierverein im Norden schloss den 16-jährigen Jungen liebend gern in seine Arme, mit 18 spielte er schon in der höchsten Klasse, der DDR-Oberliga und machte sein erstes Länderspiel.
Dessau kennt er kaum, klar. Einmal allerdings hat er hier gegen die BSG Motor Dessau in einem Testspiel gespielt. Im Tor bei Dessau damals Ralph Hirsch, Sportdirektor des Veranstalters der Talkreihe Anhalt Sport e.V. „Aber daran kann ich mich nicht erinnern“, sagte Streich, obwohl er beim 3:1-Erfolg damals Hirsch überwinden konnte.
Streich hadert nicht. Weder darüber, dass 1975 sein Wechsel zum FC Carl Zeiss Jena verboten wurde und er dafür nach Magdeburg „delegiert“ wurde, noch darüber, wie viel Geld er im Westen hätte verdienen können. „Wir Fußballer haben in der DDR schon gut gelebt.“ Wohnung, Auto, Bungalow – alles ging viel schneller als bei „normalen“ Sterblichen.
Die Dessauer bewundern die Legende noch immer, auch weil er mit den Leuten auf Augenhöhe redet. Dicht umringt von Zuhörern steht er noch lange nach dem offiziellen Schluss beisammen und klönt.
So bescheiden und demütig, da kann man nur immer wieder den Hut ziehen. Joachim Streich zeigte sich von seiner besten Seite – mit ordentlich trockenem Humor ausgestattet. Auf die Frage, was ihm lieber sei – Rasenballsport Leipzig…oder? Entgegnete er trocken: „Was war das erste?“ Diese Antwort kam bei den vielen anwesenden traditionsbewussten Clubfans vom 1. FCM natürlich gut an. Seine Erlebnisse mit Diego Maradona und „dem anderen deutschen“ Bernd Schuster gegen den FC Barcelona, dass er beim Anschlag und Geiselnahme bei den Olympischen Spielen 1972 in München alles vom 20m entfernten Balkon beobachtete und von vielen witzigen Anekdoten mit Trainerlegende Heinz Krügel schilderte er ausführlich und humorvoll dem Publikum – ein toller Abend.
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