Christian Prokop – ein Trainer, Arbeiter und Planer aus Anhalt

von Felix Zilke

Christian Prokop kehrt 2022 als Trainer des TSV Hannover-Burgdorf beim Peugeot-Cup in die Anhalt Arena zurück. Wir stellen euch den ehemaligen Nationaltrainer Deutschlands und sympathischen Mann aus der Region einmal vor.


Foto: GettyImages

Heilig Abend ist im Hause Prokop ein besonderer Tag. Das liegt nicht allein daran, dass Weihnachten sowieso für viele Menschen etwas Besonderes ist. Nein, Christian Prokop wurde auch an diesem Tag geboren, am 24. Dezember 1978 in Köthen. Zu diesem Feste könnte er sich bereits auf den Januar freuen, denn dann geht es für ihn wieder in Richtung Heimat – das aber aus beruflichen Gründen.

Bis 1998 beim SV Anhalt Bernburg lernte er die Grundlagen des Handballspiels. Als linker Rückraumspieler war der 1,90m-Hühne von 1998 bis 2000 beim damaligen Zweitligisten Dessauer HV tätig. Hier in Dessau wurde Prokop als ein guter Spieler aus der Region nie vergessen. Beim DHV bzw. DRHV war und ist die Identifikation mit Akteuren aus der engen Umgebung schon immer groß gewesen. Die einzigartigen Fans in Dessau sind auch heute noch stolz, dass „so einer mal bei uns gespielt hat.“

Aus der Bauhausstadt wechselte er in die 1. Bundesliga: Für die Saison 2000/01 zum HC Wuppertal und danach bis 2003 zu GWD Minden. Insgesamt bestritt er 41 Bundesligaspiele, in denen er 80 Tore erzielen konnte, davon 16 für Wuppertal und 64 für Minden. Für den Deutschen Handballbund (DHB) kam er zwischen 1999 und 2002 siebenmal in der B-Nationalmannschaft zum Einsatz. In den sechs offiziellen B-Länderspielen erzielte er 14 Tore und traf dabei in jeder Begegnung mindestens ein Mal.

Dann ein Schicksalsschlag: Im März 1999 mit der B-Nationalmannschaft gegen Ägypten verdrehte sich Propkop bei einer hastigen Bewegung sein linkes Knie. In Verbindung mit der Fehlstellung seiner Beine und der stetigen Belastung entstand eine Arthrose, auch zwei Operationen ließen die Schmerzen nicht verschwinden. Plötzlich reifte in Prokop die Idee, auf die linke Hand umzuschulen, weil er dann mit rechts abspringen könne. Vor der dritten Operation ließ sich Prokop dann tatsächlich unter Vollnarkose den linken Oberschenkel brechen. Die Beinachse veränderte sich um neun Grad, aus einem Rechtshänder mit X-Beinen wurde ein Linkshänder mit leichten O-Beinen. "Normalerweise kommt diese OP- Methode bei Menschen ab 50, 60 Jahren zum Einsatz, um die Knie zu entlasten und im Alltag wieder schmerzfrei zu sein", erklärte Prokop. Aufgrund der personellen Situation bei Minden auf seiner neuen Position im rechten Rückraum kam Prokop in der Saison 2002/03 nur noch am ersten Bundesligaspieltag gegen den HSV Hamburg zum Einsatz. Sein Vertrag wurde am Ende der Saison nicht verlängert. Im ungewöhnlichen Alter von 22 Jahren entschied er sich schließlich, die Handballschuhe an den Nagel zu hängen. Deshalb ging er anschließend zurück zu seinem Geburtsort: zum Regionalligisten HG 85 Köthen, den sein Vater Heinz Prokop trainierte.

Mit so einer Verletzung, der Vorgeschichte und einem Handballtrainer als Vater, war der weitere Weg fast vorprogrammiert. Christian Prokop erwarb 2003 die A-Lizenz als Trainer des DHB und trainierte zunächst bis 2004 zwei Jugendmannschaften bei Eintracht Hildesheim. Ab März 2005 war er als Trainer beim MTV Braunschweig in der damaligen Regionalliga tätig. Ab 2006 trainierte er die erste Herren-Mannschaft des TSV Hannover-Anderten, mit der er den Aufstieg von der Regionalliga in die Zweite Bundesliga schaffte. Im Jahr 2009 wechselte er zur zweiten Mannschaft des SC Magdeburg, die er bis zum Ende der Saison 2010/11 trainierte. Ab der Saison 2011/12 übernahm er das Traineramt beim SV Post Schwerin. Nach der Insolvenz des Vereins wurde er am 19. November 2012 Trainer des Bundesligisten TUSEM Essen, wo er einen Vertrag erhielt, der auch für die 2. Bundesliga Gültigkeit besaß. Nachdem er am Ende der Saison 2013 mit dem TUSEM abstieg, wurde der Vertrag in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst; Prokop wechselte zur Saison 2013/14 zum SC DHfK Leipzig. In der Saison 2015/16 wurde er zum Trainer der Saison gewählt, vieles passte wie die Faust aufs Auge. Ein Junge aus Ostdeutschland führte die Leipziger in der Bundesliga sukzessive nach oben.

Er ist ein intelligenter und ruhiger Mann, der einen Masterabschluss für Lehramt an Realschulen in Sport und Wirtschaft besitzt. Man sieht es ihm oft an, dass er erst nachdenkt und dann erzählt. Viele nennen es schüchtern, doch das ist es nicht. Prokop kann auch anders, das bestätigen immer wieder die Spieler, die unter ihm gespielt haben.

Anfang Februar 2017 wurde bekannt, dass Prokop vom DHB als neuer Trainer der deutschen Handballnationalmannschaft ausgewählt wurde und damit die Nachfolge des Isländers Dagur Sigurðsson antrat. Prokop erhielt ab 1. Juli 2017 einen Fünfjahresvertrag ohne Ausstiegsklausel. Das erste Spiel unter seiner Leitung fand am 18. März 2017 in Göteborg gegen Schweden statt (Ergebnis 25:27), das erste Pflichtspiel am 3. Mai 2017 in Ljubljana gegen Slowenien.

Am 6. Februar 2020 wurde er von seinen Aufgaben als Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft entbunden – zum Unverständnis von vielen Handballfans. Doch auf dem Papier stand als bestes Ergebnis „nur“ Platz vier bei der Weltmeisterschaft 2019. Mehr war möglich, doch Edelmetall am Ende zu wenig für die Funktionäre.

„Er ist mit viel Freude dabei, aber immer auch fokussiert“, sagte Mark Schober, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Handball-Bundes (DHB), einst über Prokop, „und er achtet sehr auf Details. Wo andere Trainer schon zufrieden sind, dass ihr Deckungsspieler bei der Abwehrarbeit einen Schritt nach vorn macht, erklärt Prokop seinem Verteidiger auch noch gleich, wie die folgenden drei Schritte sein müssen. Und damit es der Akteur auch versteht, wiederholt er es so oft, bis dieser es verinnerlicht hat. Manchmal soll er den Spielern mit dieser Detailverliebtheit auch schon mal ein bisschen auf die Nerven gehen.“

Seine Statistiken waren gut, sehr gut: Prokop betreute die DHB-Auswahl bei insgesamt 53 A-Länderspielen, von denen 38 gewonnen und zehn verloren wurden, fünf Begegnungen endeten Unentschieden. Nach Dagur Sigurdsson ist er der erst zweite Bundestrainer, der einen Schnitt von mehr als 1,5 Punkten pro Partie erreichte (1,528 – Sigurdsson: 1,581). Auch bei der Siegquote (71,7 %) erreichte er hinter Sigurdsson (77,42 %) den zweitbesten Wert aller bisherigen Bundestrainer.

Prokop machte nur eine kurze Pause, übernahm im Sommer 2021 den deutschen Bundesligisten TSV Hannover-Burgdorf. "Mit Christian Prokop können wir den passenden Trainer zu unserem Anforderungsprofil präsentieren, der über die ausgeprägte Fähigkeit verfügt, junge Spieler weiterzuentwickeln und einen reichen Erfahrungsschatz aus ambitionierten Projekten mitbringt. Er passt hervorragend in unsere Vereinsphilosophie, die auf der Weiterentwicklung von jungen Spielern und Talenten aufbaut“, sagte der Hannovers Sportlicher Leiter Sven-Sören Christophersen.

Dass es mit „den Recken“ keine einfache Saison wird, war vorher klar. Ein kleiner Umbruch, viele neue Spieler. Doch der TSV steht aktuell auf Rang 13 der Ligatabelle, konnte die wichtigen Kellerduelle für sich entscheiden und hat aufgrund von Corona noch zwei Spiele weniger als der Durchschnitt der Liga absolviert. Damit die Bilanz in der Rückrunde 2022 noch besser wird, kommt Prokop mit seinem Team also am 23. Januar 2022 zurück in seine Heimat. Beim Peugeot-Cup wird sein Team gegen den DRHV, DhfK Leipzig und TBV Lemgo gefordert um die Weichen für eine solide Rückrunde zu stellen. Christian Prokop freut sich, auf das bekannte Terrain in der Anhalt Arena. Und ein Besuch in Köthen wird bestimmt auch drin sein.

 

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